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strafrechtliche Entscheidungen des

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und anderer Rechtsmittelgerichte

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RA Dr. Johann Postlmayr

 

§ 11 StVO – Notwendigkeit des zweiten Blicks in den Rückspiegel unmittelbar vor dem Linksabbiegen; das BG Mattighofen hat den Beschuldigten mit Urteil vom 16.1.2004 der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 StGB schuldig erkannt, weil er als Mopedlenker zufolge Unaufmerksamkeit beim Linksabbiegen mit dem nachkommenden und überholden Pkw zusammenstieß, wodurch der Pkw von der Fahrbahn abkam, sich überschlug und die Lenkerin dabei verletzt wurde. Verhängung einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen, zur Gänze bedingt auf drei Jahre. Seit dem ersten Blick in den Rückspiegel sind 8 Sekunden vergangen, weswegen der Beschuldigte vor dem Linksabbiegen nochmals zurückschauen hätte müssen, wobei er den nachkommenden Pkw in Überholposition sehen und vom Abbiegen Abstand nehmen hätte können. Da LG Ried hat der Berufung wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs.1 Z.9a StPO) stattgegeben, das Ersturteil aufgehoben und den Beschuldigten freigesprochen. Ein Fahrzeuglenker, der seine Absicht, nach links abzubiegen, rechtzeitig anzeigt, sich ordnungsgemäß zur Fahrbahnmitte hin einordnet und sein Geschwindigkeit entsprechend vermindert, ist nicht verpflichtet, den Nachfolgeverkehr vor dem Abbiegen noch einmal zu beobachten (ZVR 1974/129). Nur wenn nach den Umständen mit dem Entstehen einer unklaren Verkehrssituation zu rechnen ist, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der Nachfolgeverkehr nicht ausreichend erkennen kann, daß und wo nach links abgebogen wird, besteht die Notwendigkeit, sich unmittelbar vor dem Abbiegen noch einmal zu vergewissern, daß dies ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer möglich ist (ZVR 1979/249). Solche Unstände, wie außerordentlich lange Betätigung des Blinkers, mehrere Abbiegemöglichkeiten oder das Erkennen bereits beim ersten Blick zurück, daß Nachkommende schon zum Überholen angesetzt haben, liegen hier nicht vor. Der Straßenverlauf im Unfallstellenbereich ist völlig übersichtlich und gibt es weithin nur eine einzige Abbiegemöglichkeit, welche noch dazu durch einen gut einsehbaren Wegweiser markiert ist. Auch der weite Einmündungstrichter ist von Weitem einsehbar. Für den Nachfolgeverkehr kann daher kein Zweifel bestehen, daß ein zum Linksabbiegen eingeordneter links blinkender Fahrzuglenker dort abbiegen wird, auch wenn zwischen dem ersten Blick in den Rückspiegel des Mopeds und dem Abbiegebeginn 8 Sekunden lagen (LG Ried im Innkreis vom 5.7.2004, 10 Bl 40/04*).

 

§ 90a StPO – Diversion; Art. 54 SDÜ - Doppelbestrafungsverbot; auch ohne Mitwirkung eines Strafgerichts eingestelltes Verfahren (Diversion; Erfüllung von Auflagen – Bezahlung einer Geldbuße) entfaltet Sperrwirkung. Die Auflage muß Sanktionscharakter haben, die Vereinbarung muß ein ausdrückliches oder stillschweigendes Schuldanerkenntnis enthalten und darf den Anspruchsberechtigten keinen Nachteil zufügen. (OGH vom 17.6.2004, 12 Os 23/04).

 

§ 28 Abs.2 und Abs.4 Z.3 und Abs.6 SMG; § 15 Abs.2 StGB; das Verbrechen des § 28 Abs.2 4. Fall SMG wird dadurch begangen, daß eine große Menge Suchgift (Abs.6), über welche der Täter tatsächlich verfügt, in Verkehr gesetzt wird. Bei mehraktigem Inverkehrsetzen liegt eine solche Ausführungshandlung erst vor, wenn sich diese Verfügungsgewalt über eine insgesamt große Menge zur Gänze realisiert hat. Entscheidend ist jener Akt, der beim Inverkehrsetzen zum Erreichen der Grenzmenge führt, also „das Fass zum Überlaufen bringt". Dasselbe gilt für die „Übermenge" nach Abs.4 Z.3. Der Besitz einer solchen Menge reicht für sich noch nicht aus für die Tatbestandsmäßigkeit nach § 28 Abs.2 4.Fall SMG, es muß vielmehr die Weitergabe des auf die übergroße Menge fehlenden Quantums an konkrete Abnehmer zeitlich unmittelbar bevorstehen (OGH vom 16.6.2004, 13 Os 60/04).

 

§§ 207 und 207b StGB; § 207b StGB kommt nur bei jugendlichen Personen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, zum Tragen. Wenn aber unmündige Personen von der Tat betroffen sind, ist § 207 StGB anzuwenden (OGH vom 5.5.2004, 14 Os 44/04).

 

§ 6 Abs.1 und § 7a Abs.1 Z.2 MedienG; Medienkonsument – Entschädigung; stellt der von der Veröffentlichung angesprochene Medienkonsument eine Verbindung zur Begehung eines strafgerichtlichen Delikts nicht her, scheidet eine auf diese Bestimmung gegründete Entschädigung aus. Über die strafrechtliche Implikation des berichteten Sachverhalts muß der Konsument wenigstens so weit Bescheid wissen, daß er auch ohne juristische Fachkenntnis diesen rechtlichen Sinneszusammenhang im Sinne eines Aha-Erlebnisses versteht. Führt der berichtete Sachverhalt aber in diesen Augen nur zu disziplinären Konsequenzen, liegt die Anspruchsvoraussetzung nicht vor (OGH vom 5.5.2004, 14 Os 49/04).

 

§ 134 und § 281 Abs.1 Z.4 StPO; die Begutachtung eines Zeugen auf seine Glaubwürdigkeit bedarf seiner und des gesetzlichen Vertreters Zustimmung (OGH vom 3.5.2004, 13 Os 50/04).

 

§ 21 StGB; § 252 StPO; § 281 Abs.1 Z.3+11 StPO; wurde das psychiatrische Gutachten (zum auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustand) entgegen § 252 Abs.1 StPO verlesen, liegt der Nichtigkeitsgrund der Ziffer 11 erster Fall i.V.m. der Ziffer 3 (§ 252 Abs.1 StPO) vor (OGH vom 27.4.2004, 11 Os 31/04).

 

§ 84 Abs.1 StGB – Konkurrenz der Qualifikationsfälle; die Qualifikationen des § 84 Abs.1 erster und zweiter Fall StGB können mit jener des dritten Falls echt konkurrieren (OGH vom 22.4.2004, 15 Os 4/04).

 

§ 238 Abs.2 und § 281 Abs.1 Z.4 StPO; die Einhaltung der erstgenannten Bestimmung steht nur insoweit unter Nichtigkeitssanktion, als einem darauf abzielenden Antrag des Beschwerdeführers zuwider nicht entschieden wurde (OGH vom 22.4.2004, 15 Os 16/04).

 

§ 281 Abs.1 Z. 2 bis 5a StPO – Nichtigkeitsgründe; bei der Verfahrensmängelrüge kann nur die unrichtige Entscheidung in der Rechtsfrage beim Rechtsmittelgericht geltend gemacht werden. Die Sachverhaltsgrundlage für eine prozessuale Anordnung wird hingegen durch den Richter in freier Beweiswürdigung festgestellt. Dies und die Begründung hiefür sind nur nach Maßgabe der Kriterien der Z.5 (und zugunsten des Angeklagten auch nach Z.5a) anfechtbar (OGH vom 27.4.2004, 11 Os 34/04).

 

§ 20 StGB – die Bewertung des Ausmaßes der Bereicherung hat nach dem Nettoprinzip zu erfolgen (OGH vom 22.4.2004, 12 Os 35/04).

 

§ 32 StGB (§ 105 Abs.1 StGB) - Begehung durch Gewalt oder gefährliche Drohung; die Erfüllung beider Varianten (Gewalt und gefährliche Drohung) des alternativen Mischtatbestandes der Nötigung ist nach § 32 StGB schulderhöhend. Obwohl die Begehung dieser Tat in Gesellschaft keinen besonderen Erschwerungsgrund darstellt, ist dieser Umstand nach den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung ( § 32 StGB ) schuldsteigernd (OGH vom 14.4.2004, 14 Os 20/04).

 

§ 281 Abs.1 Z.5a StPO – Nichtigkeitsgrund; diese Bestimmung will als Tatsachenrüge nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch Verweis auf aktenkundige Beweismittel verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb dieser Sonderfälle auf Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der OGH ohne eingehende eigene Erwägungen, um über die Eingriffbefugnisse keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen (OGH vom 14.4.2004, 14 Os 163/03).

 

§ 281 Abs.1 Z. 5a StPO – Nichtigkeitsgrund; Z 5a des § 281 Abs. 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (OGH vom 14.4.2004, 14 Os 163/03).

 

§ 131 Abs.1 - § 56 StPO; § 31 StGB betrifft Fälle, in denen gegen einen Angeklagten wegen zwei oder mehrerer Taten mehrere Verfahren stattfinden, die nach den zeitlichen Verhältnissen gemäß § 56 StPO vereinigt werden könnten. Zweck dieser Bestimmung ist, dem tätergünstigen Absorptionsprinzip des § 28 Abs.1 StGB auch in diesen Fällen Geltung zu verschaffen (OGH vom 7.4.2004, 13 Os 37/04).

 

§ 27 Abs.1 und § 28 Abs.1+2 SMG (§ 12 StGB) – Förderung des Ankaufs von Suchtmitteln – Konkurrenz; wer Suchtgift in einer großen Menge nur ankauft, begeht dadurch entweder das Vergehen nach § 27 Abs.1 erster Fall StGB oder jenes nach § 38 Abs.1 erster Fall SMG, nicht aber –echt ideell konkurrierend- das Verbrechen des § 28 Abs.2 SMG vierter Satz als Beitragstäter. Wird also nur der Ankauf gefördert, wird damit nur zum Delikt des § 27 Abs.1 erster Fall oder § 28 Abs.1 erster Fall StGB, nicht aber zu § 28 Abs.2 4. Fall StGB beigetragen (Exklusivität). Wer den Arbeitnehmer- und Verkauf eines Suchtmittels vermittelt, leistet zwar einen Beitrag zu dessen Inverkehrsetzen, nicht aber zur nachfolgenden Aus- oder Einfuhr und zum weiteren Inverkehrsetzen, weil sich der Schutzzweck des in § 28 Abs.2 4. Fall StGB ausgesprochenen Verbots nicht spezifisch auch darauf erstreckt. Nichts anderes gilt für den, der das Inverkehrsetzen als unmittelbarer Täter begeht (OGH vom 14.4.2004, 14 Os 9/04).

 

§ 281 Abs.1 Z.10 StPO – Nichtigkeitsgrund – Widerspruch zwischen Tenor und Gründen; besteht im Urteil ein Widerspruch zwischen Tenor und Begründung, weil das Erkenntnis über die Schuldfrage eine andere strafbare Handlung bezeichnet als jene, die der rechtlichen Beurteilung in den Gründen zufolge verwirklicht wurde, kommt der materielle Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs.1 Z.10 StPO in Betracht. Dessen Bezugspunkte sind der Ausspruch darüber, welche strafbare Handlung durch die als erwiesenen angenommenen Tatsachen begründet wird und die Feststellungen in den Entscheidungsgründen (§§ 260 Abs.1 Z.2 und § 270 Abs.2 Z.5 StPO). OGH vom 7.4.2004, 13 Os 14/04.

 

§ 294 Abs.2 und § 295 Abs.1 StPO; das Berufungsgericht ist an die in der Rechtsmittelschrift vorgetragenen Berufungsgründe nicht gebunden (OGH vom 7.4.2004, 13 Os 21/04).

 

§ 28 Abs.2+3 SMG - § 28 StGB; echte Konkurrenz von § 28 Abs.2 zweiter und dritter Fall SMG einer- und § 28 Abs.2 vierter Fall SMG andererseits. Der Unrechtsgehalt des Inverkehrsetzens von Suchtgift betrifft das in der tatsächlichen Einräumung von Gewahrsam liegende Gefahrenpotential einer drohenden schädlichen Einwirkung auf die Gesundheit, während jener der Aus- und Einfuhr von Suchtgift das besondere Gefahrenmoment eines grenzüberschreitenden Verkehrs mit Suchtgift eigenständig und ungeachtet der Weiterleitung an potentielle Konsumenten erfasst. Die Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung aggraviert in beiden Fällen den Tatbestand durch Steigerung des Gefahrenpotentials, ohne aber die Unrechtselemente des § 28 Abs.2 2.+3.Fall SMG an jene des 4. Falles anzugleichen (OGH vom 7.4.2004, 13 Os 19/04).

 

§§ 260 Abs.1 Z.2 und 270 Abs.2 Z.4+5 und 281 Abs.1 Z.10 StPO; bei einem Widerspruch zwischen Tenor und Gründen, weil im Urteil in der Schuldfrage eine andere strafbare Handlung genannt wird als jene, die der rechtlichen Beurteilung in den Gründen zufolge verwirklicht wurde, kommt der materielle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs.1 Z. 10 StPO in Betracht (OGH vom 7.4.2004, 13 Os 14/04).

 

§§ 31 Abs.1 und 28 Abs.1 StGB; § 56 Abs.1 StPO; Zweck des § 31 StGB ist es, dem tätergünstigen Absorptionsprinzip des § 28 Abs.1 StGB auch in Fällen Geltung zu verschaffen, in denen gegen einen Angeklagten wegen zwei oder mehrerer Taten zwei oder mehrere Verfahren abgeführt werden, die nach den zeitlichen Verhältnissen gemäß § 56 StPO vereinigt werden könnten (OGH vom 7.4.2004, 13 Os 37/04).

 

§§ 290 Abs.1 und 295 Abs.1 StPO; geht der OGH infolge einer falschen Subsumtion mangels eines Nachteils für den Angeklagten nicht amtswegig nach § 290 Abs.1 StPO vor, besteht bei der Entscheidung über die Berufung auch keine Bindung an den Ausspruch des Erstgerichtes über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs.1 erster Satz StPO (OGH vom 7.4.2004, 13 Os 21/04 und 13 Os 7/04).

 

§§ 17, 18 und 243 FinStrG – Verfallsausspruch; Stattgabe der Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des LG Linz als Schöffengericht vom 22.9.2003, 24 Hv 6/03t-66, nach Anhörung der Generalprokuratur in nicht öffentlicher Sitzung, weil die Mängelrüge im Sinne dieser Ziffer zutreffend aufzeigt, daß der lapidare Verweis auf die Aussagen einer Person die wesentliche Feststellung nicht zu tragen vermag, der Beschuldigte habe einen Lkw zum Zweck überlassen, eine Schmuggelfahrt zu unternehmen. In Anbetracht der stets leugnenden Verantwortung des Beschuldigten hätte es eingehender, den Gesetzen der Logik folgender Darlegungen bedurft, um diesen Schluß zu begründen. Die Durchführung des selbständigen Verfallsverfahrens (§ 243 FinStrG) war aufgrund der Bekanntheit des Aufenthaltsortes des Beschuldigten (wenn auch im Ausland) verfehlt (ÖJZ-LSK 1981/143; 13 Os 159/81), weil § 18 FinStrG hiefür voraussetzt, daß entweder sowohl der Täter als auch andere an der Tat Beteiligte oder deren Aufenthalte unbekannt sind. Schon der in der Nichtigkeitsbeschwerde relevierte Begründungsmangel macht die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unumgänglich. (OGH vom2.4.2004, 12 Os 14/04).

 

§ 129 Z.4 StGB; es ist nicht entscheidungswesentlich, ob der Täter von der Waffe gleich oder erst nach einigen Manipulationen Gebrauch machen kann. Das Mitführen einer defekten Waffe genügt, weil ein Widerstand auch durch Drohung mit der Waffe geschehen kann. Es muß sich aber um eine Waffe im technischen Sinn handeln (OGH vom 16.3.2004, 14 Os 17/04).

 

§ 51 StGB - § 90d StPO – Diversion – Kombination nicht möglich; die Weisung zur Erledigung gemeinnütziger Leistungen entspricht nicht der Rechtslage. Die Abschöpfung potentieller Einkommensmöglichkeiten durch den Zeitaufwand für die Arbeitsleistung in Verbindung mit der Einschränkung der Freizeit und der örtlichen Fixierung zur Leistungserbringung stellen diese Maßnahmen wirkungsbezogen betrachtet zwischen Geld- und Freiheitsstrafe, womit sie als sanktionssubstituierend dem Anwendungsbereich des § 51 StGB entzogen, also exclusiv jenem des § 90d StPO vorbehalten ist. Die Kombination einer diversionellen Erledigungsform mit einer anderen ist nicht zulässig. Damit soll eine dem Diversionscharakter nicht mehr entsprechende übermäßige Inanspruchnahme des Verdächtigen durch Verknüpfung von Diversionsmaßnahmen vermieden werden. Nach § 90f Abs.2 StPO sind keine Weisungen oder Auflagen vorzuschreiben, der Verdächtige hat vielmehr freiwillig Pflichten auf sich zu nehmen. (OGH vom 11.3.2004, 12 Os 16/04).

 

§§ 28, 229 Abs.1 StGB; § 281 Abs.1 Z.9 und 10 StPO; Tatobjekt der Urkundenunterdrückung ist jede einzelne Urkunde, über die der Täter nicht (allein) verfügen darf. Für ein Begriffsverständnis als Gesamtmenge besteht auch bei Handlungseinheit keine Grundlage. Werden durch ein und dieselbe Tat mehrere Urkunden unterdrückt, liegen ebenso viele Vergehen nach § 229 Abs.1 StGB in gleichartiger Idealkonkurrenz vor. § 127 StGB – Gesamtmenge; der in dieser Bestimmung verwendete Begriff „eine fremde bewegliche Sache" versteht sich als Gesamtmenge der durch eine tatbestandliche Handlungseinheit weggenommenen beweglichen Sache (OGH vom 4.3.2004, 15 Os 176/03).

 

Art. 83 Abs.2 B-VG; Art. 6 Abs.1 EMRK - § 219 StPO – perpetuatio fori; das zuständige Kollegialorgan, für welches nach § 219 StPO die sogenannte perpetuatio fori angeordnet wird, ist auch „auf Gesetz beruhend" iSd Art. 6 Abs.1 EMRK und Art. 83 Abs.2 B-VG anzusehen (OGH vom 4.3.2004, 15 Os 14/04).

 

§§ 11 und 21 Abs.1 StGB; § 281 Abs.1 Z.11 StPO; die Zurechnungsfähigkeit ist keine Sanktionsvoraussetzung sondern betrifft die Schuldfrage (OGH vom 3.3.2004, 13 Os 168/03).

 

§ 294 StPO – eine Verpflichtung zur Ausführung der Berufung besteht nicht (OGH vom 18.2.2004, 13 Os 4/04).

 

Art. 6 Abs.3 lit. d EMRK; § 252 Abs.1+4 und § 281 Abs.1 Z.3 StPO; das Beweiserhebungs(-gewinnungs)verbot des § 252 Abs.1 StPO sichert das mit dem Fragerecht nach Art. 6 Abs.3 lit. d EMRK normativ verknüpfte strafprozessuale Unmittelbarkeitsprinzip gegen Unmittelbarkeitssurrogate, die durch die Z.1-4 des § 252 Abs.1 StPO nicht gedeckt sind, bei sonstiger Nichtigkeit ab. Amtsverschwiegenheit kann grundsätzlich nicht als Verlesungsermächtigung nach Z.1 begriffen werden. (OGH vom 18.2.2004, 13 Os 153/03).

 

§ 281 Abs.1 Z.3+4 StPO; § 345 Abs.1 Z.4+5 StPO; der OGH ist bei der Beurteilung behaupteter Formverletzungen oder Verfahrensmängel an den Inhalt des über die Hauptverhandlung aufgenommenen Protokolls nicht gebunden (OGH vom 17.2.2004, 14 Os 174/03).

 

Art.4 Z.1 des 7. ZP zur EMRK – Doppelbestrafungsverbot; die disziplinäre Bestrafung neben einer strafrechtlichen Verurteilung verstößt nicht gegen das Doppelbestrafungsverbot (OGH vom 17.2.2004, 11 Bkd 7/02).

 

§ 5 JGG - § 28 SMG; hat der Täter teils vor, teils nach Vollendung des 18. Lebensjahres zu einer Subsumtionseinheit nach § 28 Abs.2 4. Fall und Abs. 4 Z.3 SMG zusammenzufassenden Suchtgiftmengen in Verkehr gesetzt, ist § 5 JGG nicht anzuwenden.

 

§§ 290 Abs.2 und 293 Abs.3 StPOdas Verschlechterungsverbot gilt nur im Sanktionsbereich (OGH vom 17.2.2004, 14 Os 1/O4).

 

§ 28 Abs.2 SMG; § 1 Abs.1 StGB; die Deutung des auf das Tatobjekt des § 28 Abs.2 SMG bezogene „ein" als Zahlwort beruht nicht auf historisch-teleologischen Überlegungen, sondern steckt den äußerst möglichen Wortsinn mit Blick auf das Gesetzmäßigkeitsprinzip des §1 StGB ab (OGH vom 17.2.2004, 14 Os 1/O4 und vom 19.5.2004, 13 Os 40/04).

 

§ 34 Abs.1 Z.4 StGB – Strafmilderungsgrund; die in diesem Milderungsgrund genannte Einwirkung eines Dritten setzt eine weitreichende psychische Beeinflussung, die nach Art und Umständen auch einen maßgerechten Charakter zur Tat gedrängt haben könnte, voraus (OGH vom 12.2.2004, 12 Os 95/02).

 

§ 28 Abs.4 Z.2 SMG; die Strafbarkeit nach § 28 Abs. 4 Z 2 SMG setzt begrifflich das vorsätzliche Entfalten (spezifisch) deliktischer Tätigkeit als funktionell nicht bloß punktuell in den Aktionsrahmen des arbeitsteilig auf (eine wenngleich begrenzte) Dauer strukturierten (zahlenmäßig qualifizierten) Ganzen eingegliederter Part voraus (OGH vom 10.2.2004, 11 Os 163/03).

 

§ 28 Abs.2 SMG; § 180 Abs.2 Z.3 lit. b StPO; sowohl die Erzeugung als auch das Inverkehrsetzen einer jeweils großen Menge Suchtgift stellt zumindest eine Tat mit nicht bloß leichten Folgen dar (OGH vom 10.2.2004, 11Os 2/04).

 

§§ 83, 105 und 216 Abs.2 StGB; eine Körperverletzung ist im Delikt der Zuhälterei nach § 216 Abs. 2 StGB weder regelmäßig noch typisch enthalten, sodass auch der Unrechtsgehalt der anlässlich einer (Nötigungselemente aufweisenden) Einschüchterung zugefügten Beeinträchtigung der körperlichen Integrität von der Zuhälterei nicht vollständig miterfasst wird. Darüber hinaus ist bei einer (die Gewaltanwendung als Begehungsmittel nicht einmal nennenden) Einschüchterung im Sinne des § 216 Abs. 2 StGB für den Eintritt von Verletzungsfolgen auch keine höhere Strafdrohung vorgesehen. Hat daher die (hier zur Einschüchterung) eingesetzte Gewalt eine Körperverletzung zur Folge (was nicht zwangsläufig sein muss), dann ist eintätiges Zusammentreffen zwischen einem (im weitesten Sinn verstandenen) Nötigungstatbestand und einem die körperliche Integrität schützenden Delikt anzunehmen (OGH vom 27.1.2004, 14 Os 162/03).

 

§ 295 StGB; § 102 Abs.1 und § 103 Abs.4 letzter Satz KFG – Aufbewahrung von Beweismitteln; wenn die Rechtsordnung - wie in §§ 102 Abs. 1, 103 Abs. 4 letzter Satz KFG - eine Verpflichtung zur Aufbewahrung von Beweismitteln für ein nur allfällig stattfindendes, konkret aber nicht voraussehbares Verwaltungsverfahren vorgibt, kann jedenfalls noch nicht von einer Bestimmung dieses Beweismittels in einem solcherart bloß möglichen Verwaltungsverfahren im Sinne des § 295 StGB gesprochen werden, weil - anders als bei einem nach einer von Amts wegen zu verfolgenden Straftat nach dem Legalitätsprinzip jedenfalls durchzuführenden (sicherheitsbehördlichen, staatsanwaltschaftlichen und/oder gerichtlichen) Verfahren - im Handlungszeitpunkt noch gar nicht feststeht, ob überhaupt ein behördliches Verfahren eingeleitet wird (OGH vom 27.1.2004, 14 Os 167/03).

 

Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs.1 Z.9+10 StPO; § 288 StPO; §§ 57 und 58 StGB - Verjährung; ein erfolgreich geltend gemachter Feststellungsmangel berechtigt den OGH zu einer Sachentscheidung (§ 288 Abs.2 Z.3 erster Satz StPO), wenn dieser eine prozessuale Tatsache betrifft. Die Frage der Verjährung betrifft kein prozessuales Verfolgungshindernis, vielmehr einen materiellen Strafaufhebungsgrund, sodaß eine Sachentscheidung durch den OGH grundsätzlich ausscheidet. Es sieht aber aus prozessökonomischen Gründen von einer Verweisung an die erste Instanz ab, wenn die vermisste Feststellung auch in einem weiteren Rechtsgang nicht zu erwarten ist (OGH vom 27.1.2004, 14 Os 129/03).

 

§ 281 Abs.1 Z.4 in Verbindung mit § 238 und 345 Abs.1 Z.5 StPO; einem Beweisantrag muß neben Beweismittel und –thema stets zu entnehmen sein, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse und inwieweit dieses für die Schuld- und Subsumtionsfrage von Bedeutung ist (OGH vom 20.1.2004, 11 Os 152/03 und Vorjudikatur).

 

§§ 115, 117 Abs.3 und 283 StGB; eine Beschimpfung oder Verspottung iSd § 115 StGB, bei welcher der Betroffene wegen seiner Zugehörigkeit zu einer in § 283 Abs.1 StGB genannten Gruppe als ethnisch, kulturell oder moralisch schlechthin minderwertig abqualifiziert wird, fällt unter § 117 Abs.3 StGB (OGH vom 14.1.2004, 13 Os 154/03).

 

§§ 120, 254 Abs.2 und 281 Abs.1 Z.4 StPO; die Beiziehung eines Privatgutachters ist dem Gesetz fremd. Die Auswahl des Sachverständigen kommt ausschließlich dem Gericht zu. Wird ein Privatgutachten zum Akt genommen, kann nur dessen Befund zu erheblichen Bedenken iSd Z.5a Anlaß geben. Privatgutachter sind nichts andere als Zeugen. (OGH vom 14.1.2004, 13 Os 170/03).

 

§ 2 StGB – Garantenstellung – KJBG; das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 verpflichtet den Dienstgeber, alle erforderliche Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit, Gesundheit und Sittlichkeit der Jugendlichen zu treffen. Den Dienstgeber trifft damit eine Garantenpflicht nach § 2 StGB (OGH vom 8.1.2004, 15 Os 118/03).

 

§ 363a StPO – Erneuerung des Strafverfahrens nach Stattgabe einer Beschwerde durch den EGMR; Doppelbestrafung – Art. 4 Abs.1 des 7. ZP zur EMK; ne bis in idem; § 5 Abs.1 StVO - § 88 Abs.1 und 3 (§81 Abs.1 Z.2 StGB); ne bis in idem – Verbot ist ein auf Verfassungsebene stehendes Verfolgungshindernis; die Urteile des LG Ried i.I. als Berufungsgericht vom 2.61997, 10 Bl 38/97, sowie des Bezirksgerichtes Mattighofen vom 30.1.1997, U 190/95, werden aufgehoben. Rechtskräftige Bestrafung wegen Lenkens eines Fahrzeugs in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand durch die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn. Nachfolgend Bestrafung durch die Strafgerichte wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 und 3 (81 Z.2) StGB, weil Walter F. dabei einen Verkehrsunfall verschuldet hat, bei dem der Beifahrer leicht verletzt wurde (Zusammenstoß mit einem überbreiten Mähdrescher im Gegenverkehr – verspätete Reaktion laut Sachverständigengutachten). Mit Urteil vom 30.5.2002 (Walter F. gegen Österreich – BeschwerdeNr. 38.275/97)hat der EGMR eine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes nach Art. 4 des 7.ZP zur EMRK festgestellt. Die nachfolgende strafgerichtliche Verurteilung wegen alkoholqualifizierter Körperverletzung verletzt die Menschenrechtskonvention (ne bis in idem – Verbot ist ein auf Verfassungsebene stehendes Verfolgungshindernis). Im erneuerten Verfahren wird das Bezirksgericht Mattighofen die Frage der Dauer der Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit des Beifahrers des Beschuldigten unter Ausklammerung der Alkoholisierung neu zu prüfen haben (§ 88 Abs.2 Z.4 StGB). OGH vom 21.8.2003, 15 Os 154/02 (Fall vertreten durch Dr. Postlmayr, Rechtsanwalt in Mattighofen – vgl. auch ZVR 2003/11).

 

§ 363a StPO – Erneuerung des Strafverfahrens nach Stattgabe einer Beschwerde durch den EGMR; Doppelbestrafung – Art. 4 Abs.1 des 7. ZP zur EMK; ne bis in idem; § 5 Abs.1 StVO - § 88 Abs.1 und 3 (§ 81 Abs.1 Z.2 StGB);ne bis in idem – Verbot ist ein auf Verfassungsebene stehendes Verfolgungshindernis; die Urteile des LG Wels vom 18.6.1997, 24 Bl 88/97 als Berufungsgericht sowie des Bezirksgerichtes Grieskirchen vom 7.1.1997, 2 U 160/95, werden aufgehoben. Rechtskräftige Bestrafung wegen Lenkens eines Fahrzeugs in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand durch die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn. Nachfolgend Bestrafung durch das Strafgericht wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 und 3 (81 Z.2) StGB, weil Gerhard S. dabei einen Verkehrsunfall verschuldet hat, bei dem der Unfallgegner leicht verletzt wurde. Mit Urteil vom 6.6.2002 (Gerhard S. gegen Österreich – BeschwNr. 38.237/97)hat der EGMR eine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes nach Art. 4 des 7. ZP zur EMRK festgestellt. Die nachfolgende strafgerichtliche Verurteilung wegen alkoholqualifizierter Körperverletzung verletzt die Menschenrechtskonvention (ne bis in idem – Verbot ist ein auf Verfassungsebene stehendes Verfolgungshindernis). Im erneuerten Verfahren wird das Bezirksgericht Grieskirchen die Frage der Dauer der Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit des Beifahrers des Beschuldigten unter Ausklammerung der Alkoholisierung neu zu prüfen haben (§ 88 Abs.2 Z.4 StGB). OGH vom 5.8.2003, 11 Os 167/02 (Fall vor dem EGMR und dem OGH vertreten durch Dr. Postlmayr, Rechtsanwalt in Mattighofen; vgl. auch ZVR 2003/11).

 

§ 6 StGB – Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung; Straflosigkeit wegen Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung setzt das Fehlen einer spezifischen Schutzpflicht gegenüber dem Opfer voraus (unterschiedliche Verstandesreife, körperliche Kräfte oder Einsichtsfähigkeit hinsichtlich eines riskanten Unternehmens). OGH vom 12.6.2003, 15 Os 68/03).

 

§ 33 Z.3 StGB – Verführen als Strafbemessungsgrund; ein „verführen" liegt nur bei einer akzentuierten Einflußnahme im Sinne der Schaffung eines besonderen Anreizes zur Tat vor (OGH vom 5.6.2003, 12 Os 15/03).

 

§ 12 StGB – Mittäterschaft – Kausalität; bei mehraktigen Delikten wie Raub ist jeder Beteiligte Mittäter, der einen der Teilakte unmittelbar ausführt. Vollendung des Delikts kann aber nicht angelastet werden, wenn einem Täter kein für den Eintritt des Erfolges wirksame Einflußnahme zur Last liegt. OGH vom 30.4.2003, 13 Os 21/03.

 

§ 451 Abs.2 StGB eröffnet dem Richter die Möglichkeit, im Fall aktueller Strafaufhebungsgründe oder Strafausschließungsgründe, aber auch, wenn er die Tat aus anderen Gründen für straflos hält, schon vor Stellung eines Antrags auf Bestrafung die Einleitung der strafgerichtlichen Verfolgung abzulehnen. OGH vom 15.12.2002, 12 Os 111/02.

§ 36 StGB; die Sondervorschrift des § 36 StGB ist dann nicht anzuwenden, wenn der Rechtsbrecher das gleiche Verbrechen vor und nach Erreichung der Altersgrenze begangen hat. OGH vom 10.12.2002, 11 Os 145/02.

§ 90 l Abs.3 StPO – Diversion; das Beschwerderecht (auch) des Staatsanwaltes nach § 90 l Abs. 3 erster Satz StPO hängt nicht vom Inhalt seiner Stellungnahme zu einem vom Gericht in Aussicht genommenen diversionellen Vorgehen ab. OGH vom 28.11.2002, 15 Os 126/02.

 

§ 27 SMG: Unter "Verschaffen" von Suchtgift im Sinne von § 27 siebenter Fall SMG ist auch die Vermittlung des Überlassens durch einen anderen zu verstehen. OGH vom 10.10.2002, 15 Os 116/02.

 

§ 168 StGB – Glückspiel; Ein Glücksspiel im Sinne des § 168 StGB liegt auch dann vor, wenn der Gewinn nicht in bar oder in Sachwerten ausbezahlt, sondern als weiterer Spieleinsatz verrechnet wird, weil ihm auch diesfalls ein Vermögenswert zukommt. Von rechtlicher Relevanz könnte eine derartige Gewinnverrechnung - unter der weiteren Voraussetzung eines Spiels um nur geringe Beträge - daher nur unter dem Gesichtspunkt der Tatbestandsbegrenzung in Form eines Spiels bloß zum Zeitvertreib sein. Um geringe Beträge wird ungeachtet der Höhe des jeweiligen Einzeleinsatzes jedenfalls dann nicht gespielt, wenn vom Spielveranstalter Rahmenbedingungen geschaffen wurden, die ein Serienspiel sowohl auf Veranstalterseite als auch auf Spielerseite als objektiv sicher und auch so gewollt erscheinen läßt. OGH vom 3.10.2002, 12 Os 49 und 50/02.

 

§ 156 StGB: eine Vermögensverringerung im Sinn des § 156 StGB setzt auf der subjektiven Tatseite voraus, dass es der Täter zumindest ernstlich für möglich hält, durch die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens keinen Gläubiger zu befriedigen, sondern - im Sinne der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Eigenkapitalersatzqualifikation von Gesellschafterdarlehen im Krisenfall - eine dem Rückzahlungsverbot widersprechende Leistung zu erbringen und damit den Vermögensstatus der Gesellschaft zum Nachteil der Gläubiger zu verändern. Dieses normative Tatbestandsmerkmal setzt voraus, dass der rückzahlende Geschäftsführer der GmbH Kenntnis von der rechtlichen Bedeutung der Stellung des darlehensgebenden Gesellschafters im wirtschaftlichen Krisenfall hat. Zur strafrechtlichen Subsumption genügt eine parallel zum Recht verlaufende laienmäßige Einschätzung dieses Tatumstandes durch den Täter sowie dessen soziale und rechtliche Bedeutung. OGH vom 1.10.2002, 11 Os 41/02.

 

§ 29 Abs.1 und 3 lit. a FinStrG – Selbstanzeige – Inhalt;

Wenn auch für die Erstattung einer Selbstanzeige im Gesetz keine besondere Form vorgesehen ist, so erfordert sie nach dem klaren Wortlaut des § 29 Abs1 FinStrG doch die Darlegung der begangenen Verfehlung. Ein bloßes Eingestehen einer Tat im Zuge einer Vernehmung kann nicht als eine Selbstanzeige angesehen werden. Für den Ausschluß der Straffreiheit nach § 29 Abs3 lit. a FinStrG kommt es nur darauf an, dass überhaupt eine Verfolgungshandlung gegen eine der in dieser Bestimmung genannten Personen gesetzt wurde. Die Verfolgungshandlung braucht sich nicht gegen den Selbstanzeiger zu richten und muß diesem auch nicht bekannt geworden sein. OGH vom 10.9.2002, 14 Os 6/02.

 

§ 285a Z.2 und § 285d Abs.1 Z.1 StPO; mangelt es der Nichtigkeitsbeschwerde an einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung des Sachverhaltes, der den Prüfungskriterien des angezogenen Nichtigkeitsgrundes entspricht, so wird sie nicht prozeßförmig dargestellt. OGH vom 25.9.2002, 13 Os 101/02.

 

§ 33 Z.2 StGB, § 281 Abs.1 Z.11 StPO; einschlägige Vorstrafe – Strafbemessung; Das Vorliegen der entscheidenden Strafbemessungstatsache in Bezug auf einschlägige Vorstrafen ist nach § 33 Z 2 StGB zu beurteilen, wonach als Erschwerungsgrund insbesondere gilt, wenn der Täter schon wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat verurteilt worden ist (wobei das Wort "einer" als unbestimmter Artikel und nicht als Zahlwort anzusehen ist). Liegt daher dieser besondere Erschwerungsgrund schon deshalb vor, weil wenigstens eine auf einer solchen Tat beruhende nicht getilgte Vorstrafe vorliegt, so betreffen weitere solche Vorstrafen nur die Gewichtigkeit dieses Erschwerungsgrundes. Ihre zahlenmäßige Bemängelung bildet daher (bloß) einen Berufungsgrund. OGH vom 25.9.2002, 13 Os 95/02.

 

§ 281 Abs.1 Z. 5a StPO – erhebliche Tatschen; erhebliche Tatsachen sind solche, die für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache von Bedeutung sein können, mithin erörterungsbedürftig sind.

OGH vom 25.9.2002, 13 Os 98/02.

 

§ 4 Abs.2 und § 31 FinStrG – Verjährung der Tat; ob eine Tat verjährt ist, richtet sich grundsätzlich nach dem im Entscheidungszeitpunkt geltenden Recht, nach früherem Recht nur dann, wenn die Verjährung bereits unter dessen Geltung eingetreten war. Ein dem Ausscheiden einer Verjährungsnorm aus dem Rechtsbestand nachfolgender Zeitablauf hat bei dem die außer Kraft getretene Verjährungsbestimmung betreffenden Günstigkeitsvergleich gemäß § 4 Abs. 2 FinStrG außer Betracht zu bleiben. OGH vom 3.10.2002, 12 Os 87/01.

 

§ 26 FinStrG - § 224 Abs.1 BAO; die Erteilung der Weisung an den Verurteilten, den Betrag, den er schuldet oder für den er zur Haftung herangezogen werden kann, zu entrichten, setzt eine entsprechende Schuldkonkretisierung durch Haftungsbescheid (§ 224 Abs. 1 BAO) voraus. OGH vom 3.10.2002, 12 Os 54/02.

 

§ 28 SMG; § 28 Abs. 3 erster Satz SMG enthält Qualifikationstatbestände zu Abs.2. Anders jedoch der zweite Satz leg. cit. Handelt der Täter aus dem(hier kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ausnahmsweise entscheidungswesentlichen, weil die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes bedingenden) im zweiten Satz umschriebenen Motiv, kommt als Rechtsfolge der erhöhte Strafsatz für die im ersten Satz umschriebenen Qualifikationen nicht zur Anwendung; der Täter fällt unter den in Abs. 3 als dort zweiten Strafsatz übernommenen Strafsatz von Abs. 2 leg. cit. OGH vom 15.9.2002, 15 Os 98/02.

 

§ 153 StGB – Vermögensbegriff; der Vermögensbegriff des österreichischen Strafrechts umfaßt die Gesamtheit aller wirtschaftlich ins Gewicht fallenden und rechnerisch feststellbaren Werte. Eine behördliche Errichtungsbewilligung für eine private Krankenanstalt, deren Erlangung für jeden Erwerber mit Kosten verbunden und die für den Inhaber und/oder Dritte von wirtschaftlichem Interesse ist, somit einen objektiven Verkehrswert besitzt, stellt Vermögen (hier: im Sinne des §153 StGB) des Berechtigten dar, wobei die Frage, ob der Inhaber im konkreten Fall imstande ist, das ihm zustehende Recht selbst auszuüben oder nicht, für die Beurteilung der Werthaltigkeit der eingeräumten Bewilligung nicht ausschlaggebend ist, genügt es doch, wenn diese infolge Bestehens eines Marktes entgeltlich transferiert werden könnte. OGH vom 10.10.2002, 15 0s 85/02.

 

§§ 153 und 5 StGB – Vermögensverringerung – subjektive Tatseite. Eine Vermögensverringerung im Sinn des § 156 StGB setzt auf der subjektiven Tatseite voraus, dass es der Täter zumindest ernstlich für möglich hält, durch die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens keinen Gläubiger zu befriedigen, sondern - im Sinne der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Eigenkapitalersatzqualifikation von Gesellschafterdarlehen im Krisenfall - eine dem Rückzahlungsverbot widersprechende Leistung zu erbringen und damit den Vermögensstatus der Gesellschaft zum Nachteil der Gläubiger zu verändern. Dieses normative Tatbestandsmerkmal setzt voraus, dass der rückzahlende Geschäftsführer der GmbH Kenntnis von der rechtlichen Bedeutung der Stellung des darlehensgebenden Gesellschafters im wirtschaftlichen Krisenfall hat. Zur strafrechtlichen Subsumption genügt eine parallel zum Recht verlaufende laienmäßige Einschätzung dieses Tatumstandes durch den Täter sowie dessen soziale und rechtliche Bedeutung. OGH vom 1.10.2002, 11 Os 41/02.

 

§ 281 Abs.1 Z. 10a StPO; § 7 Abs.1 JGG; § 90a Abs.2 StPO – Diversion; die gesetzmäßige Ausführung dieses materiellen Nichtigkeitsgrundes setzt voraus, dass die behauptete rechtsfehlerhafte Beurteilung der gesetzlichen Diversionsvoraussetzungen nach §7 Abs1 JGG i.V.m. § 90a Abs2 Z2 StPO stringent auf der Basis sämtlicher wesentlicher Tatsachenfeststellungen des bekämpften Urteils geltend gemacht wird. Die argumentative Vernachlässigung entscheidender Sachverhaltskomponenten beziehungsweise der Ersatz einer tatrichterlichen Feststellung durch eine willkürlich abweichende Modifikation wird diesem Erfordernis nicht gerecht. OGH vom 12.9.2002, 120s 71/02.

 

§ 281 Abs.1 Z.1 StPO; § 28a GOG; unzuständiger Untersuchungsrichter – keine Nichtigkeit; die Gültigkeit von Amtshandlungen wird durch einen Verstoß gegen die Geschäftsverteilung - abgesehen von den nur das Erkenntnisverfahren betreffenden Fällen der §§ 281 Abs. 1 Z1 und 345 Abs. 1 Z 1 StPO - nicht beeinträchtigt (§ 28a GOG). Das Einschreiten eines danach nicht berufenen Untersuchungsrichters des örtlich und sachlich zuständigen Gerichtshofes begründet keine Nichtigkeit der gesetzten Untersuchungshandlungen. OGH vom 24.9.2002, 11 0s 125/02.

 

§ 21 und § 107 Abs.2 StGB; eine gefährliche Drohung mit dem Tod, die beim Opfer die Besorgnis auslöst, es könnte tatsächlich getötet werden, ist eine Tat mit schweren Folgen und somit als Prognosetat im Sinne des § 21 StGB geeignet. OGH vom 26.6.2002, 12 Os 48/02.

 

§ 159 StGB; grobe Fahrlässigkeit; zum Begriff der groben Fahrlässigkeit im Sinne des neuen Tatbestandes des § 159 StGB. OGH vom 9.4.2002, 14 Os 28/02.

 

§ 224 StGB ein italienischer Personalausweis (carta d`ídentitá ufficiale) genießt als Reisedokument den strafrechtlichen Schutz inländischer öffentlicher Urkunden. OGH vom 28.5.2002, 14 Os 46/02.

 

§ 90a StPO – Diversion – Schuldeinsicht; die Möglichkeit einer Diversion hängt auch von der Haltung des Beschuldigten ab und setzt Schuldeinsicht voraus, also die Übernahme der Verantwortung für die Tat (OGH vom 7.3.2002, 15 Os 1/02).

 

§ 281 Abs.1 Z.4 StPO Voraussetzungen dieser Verfahrensrüge. Diese verlangt, daß die Anträge erhebliche Tatsachen betreffen, die der Lösung der Schuldfrage oder die Unterstellung unter einen bestimmten Strafsatz betreffen (OGH vom 29.5.2002, 13 Os 34/02).

 

§ 281 Abs.1 Z.11 und § 290 und § 285i StPO – Strafbefugnis – Kompetenzen des OLG; ist eine Korrektur der den Angeklagten benachteiligenden unrichtigen Strafsanktion im Rahmen der Berufungsentscheidung möglich, so bedarf es einer Maßnahme nach § 290 Abs.1 StPO nicht (OGH vom 6.6.2002, 15 Os 56/02).

 

Art. 4 des 7. ZP zur EMRK – Doppelbestrafung; § 81 Abs.1 Z.2 StGB und § 99 Abs. 1 StVO; § 363a StPO – Erneuerung des Strafverfahrens. Aufhebung der Strafurteile des BG Hall in Tirol und des LG Innsbruck, weil eine Bestrafung wegen fahrlässiger Körperverletzung in der Qualifikation der Alkoholisierung nach § 88 Abs.1 und 3 (§ 81 Z.2) StGB ausgesprochen worden ist, obwohl vorher die BH Innsbruck bereits einen Strafbescheid wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1b StVO rechtskräftig erlassen und bereits vollstreckt hat. Dieser Verwaltungsakt ist nicht absolut nichtig, sondern nur vernichtbar. Im weiteren Verfahren wird das BG Hall die BH zu ersuchen haben, ihr Straferkenntnis aufzuheben, weil dieses wegen der Subsidiaritätsklausel nach § 99 Abs.6 lit. c StVO nicht erlassen hätte werden dürfen (§ 30 VStG). Tut sie dies nicht, wird das Strafverfahren – auch ohne eines entsprechenden Antrages der StA – einzustellen haben. Die Beschuldigte hätte nicht nochmals wegen derselben Tat unter Strafe gestellt werden dürfen, die EMRK steht auch über dem XX. Hauptstück der StPO (OGH vom 22.8.2002, 15 Os 18/02).

 

 

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