Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum F S G
Die Sammlung des Betreibers dieser Homepage, RA Dr. Postlmayr, Mattighofen, umfasst 76 Entscheidungen des VfGH zum Führerscheingesetz (FSG); mehr als die Hälfte betrifft Fälle, die Dr. Postlmayr vertreten hat (im Folgenden mit einem * gekennzeichnet).
Ein Kurzauszug:
G 472/97 Beschluss vom 1.12.1998 (VfSlg. 15.346); § 7 Abs.3 Z.4, § 26 Abs.8, § 37 Abs.4 Z.1 und § 39 Abs.1 FSG – Individualantrag nach Art.140 Abs.1 B-VG; auch in einem Verfahren zum Entzug der Lenkberechtigung ist es zumutbar, den Instanzenzug zu durchschreiten – Unzulässigkeit des Individualantrages.
B 544/97 vom 26.2.1999* (VfSlg. 15.431); § 66 Abs.2 lit.i und § 73 Abs.3 dritter Satz KFG; Art. 5 und 6 StGG; Art.7 Abs.1 B-VG; die BH Vöcklabruck hat über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von ATS 8.000,– verhängt, weil er am 26.10.1995 mit seinem Motorrad an der angeführten Stelle (im Bereich von Höcken-Schneegattern Richtung Ried i.I.) 165 statt 100 km/h gefahren ist (§ 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit. a StVO). Abweisung der Schuldberufung durch den UVS Oö., Herabsetzung der Strafe. Dass infolge der Entziehung der Lenkerberechtigung das Gewerbe nicht ausgeübt werden kann, ist eine bloße Reflexwirkung; die Unterbindung der Berufsausübung war nicht Bescheidinhalt, der Verwaltungsakt verhindert die Realisierung einer bestimmten Erwerbstätigkeit lediglich faktisch (vgl. VfSlg. 3404, 5305, 6898, 8669, 10.413 und 10.501). Der Führerschein stellt lediglich den urkundlichen Nachweis über die Erteilung der Lenkberechtigung dar und ist daher nicht als privates Vermögensrecht anzusehen (VfSlg. 7428, 8669 und 9931). Der Führerschein als Nachweis der öffentlich-rechtlich erteilten Lenkberechtigung, der gegenüber dem Eigentum am Gegenstand (Papier) der Urkunde in wirtschaftlicher (geldeswerter) Hinsicht keine Bedeutung zukommt. Daher keine Verletzung im Eigentumsrecht.
B 956/98 vom 11.3.1999*; § 7 Abs.3 Z.4 FSG; § 26 Abs.7 FSG; wegen Geschwindigkeitsüberschreitung (135 statt 80 km/h am 8.1.1998 um 12.14 Uhr auf der A 12 bei km 1,4) hat die BH Salzburg-Umgebung dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für zwei Wochen entzogen. Im Beschluss vom 11.3.1999 lehnt der VfGH die Beschwerdebehandlung mit der Begründung ab, dass die Beschwerde vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des VfGH im Hinblick auf den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers (VfSlg. 13.330, 14.709 und G 124/96 vom 4.12.1997) sowie dem Umstand, dass es sich beim Lenkberechtigungsentzug nicht um eine Strafe sondern um eine Sicherungsmaßnahme im Interesse der Verkehrssicherheit handelt (VfGH vom 26.2.1999, B 544/97* zur nahezu gleich lautenden Vorgängerbestimmung des § 66 Abs.2 lit.i KFG) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des VwGH ausgeschlossen.
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G 1/98 vom 8.6.1999* (VfSlg. 15.501); § 4 Abs.3 und Abs.6 Z.2 FSG; zum Zeitpunkt der Antragstellung was ihr noch keine Nachschulung angeordnet worden. Selbst wenn dies der Fall wäre erfolgt dies mit Bescheid, welcher zur Ausschöpfung des administrativen Instanzenzugs zu bekämpfen und diese Bedenken die angefochtenen Bestimmungen in einer Bescheidbeschwerde an den VfGH nach Art.144 Abs.1 B-VG vorzubringen wären oder im Verfahren anzuregen, einen Antrag auf Gesetzesprüfung nach Art.140 Abs.1 B-VG einzubringen (VfSlg. 13.871 und 14.752). Es fehlt somit an einem „unmittelbaren Eingriff“ in die Rechtssphäre der Antragstellerin.
G 74/98 vom 8.6.1999*; Zurückweisung eines Individualantrag nach Art.140 Abs.1 B-VG auf Aufhebung des § 4 Abs.3 und 6 FSG; läge ein solcher Bescheid betreffend Anordnung einer Nachschulung bereits vor, wäre dieser zur Ausschöpfung des administrativen Instanzenzugs anzufechten und dann in einer VfGH-Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Bescheid die Bedenken gegen diese Normen vorzutragen (VfSlg. 14.752). Dies ist in vorliegenden Fall auch zumutbar (auch wenn der Berufung gegen die Nachschulungsanordnung keine aufschiebende Wirkung zukommt und die Nichtbefolgung den Lenkberechtigungsentzug zur Folge hätte).
B 1671/99 vom 29.2.2000*; Mindeststrafe von ATS 5.000,– in § 37 Abs.3 Z.1 FSG; die BH Salzburg-Umgebung hat über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe nach § 20 VStG) von ATS 2.500,– verhängt, weil er mit einem Pkw einen (unbeladenen) Anhänger gezogen hat, wobei das höchst zulässige Gesamtgewicht das Eigengewicht des Pkw (VW Passat) um 70 kg überschritten hat. Im Beschluss vom 29.2.2000 hat der VfGH die Beschwerdebehandlung mit der Begründung abgelehnt, dass diese keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Verfassungsrechtlich seien pauschalierende Regelungen zulässig, der Gesetzgeber dürfe Härtefälle in Kauf nehmen (VfSlg. 9624, 11.615 und 13.726 sowie G 249/98 vom 6.10.1999).
B 1614/99 vom 21.6.2000*; Art.140 Abs.7 B-VG – Anlassfallwirkung des Erkenntnisses G 211/98 vom 15.3.2000 betreffend Ausschluss der außerordentlichen Strafmilderung bei Alkoholdelikten; die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren hat am 4.12.1999 begonnen, die Beschwerde ist am 30.9.1999 beim VfGH eingelangt, weswegen dieser Fall einen Anlassfall nach Art. 140 Abs.7 B-VG gleichzuhalten ist (Quasianlassfall).
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B 545/00 vom 28.6.2000*; § 37 Abs.3 FSG – Mindeststrafe von ATS 5.000,–. Der VfGH hat die Behandlung der dagegen erhobenen Bescheidbeschwerde abgelehnt und bezieht sich in diesem Beschluß auf das Erkenntnis G 249/98 u.a. vom 6.10.1999 sowie – zur Normierung von Mindeststrafen allgemein – auf VfSlg. 9624, 11.615 und 13.726 bezogen. Härtefälle dürfen bei pauschalierenden Regelungen in Kauf genommen werden.
G 206/98 u.a. vom 29.6.2000 (VfSlg. 15.885); §§ 14 Abs.8 und 37a FSG; Art.10 Abs.1 Z.9 und Art.11 Abs.1 Z.4 B-VG; Kompetenztatbestände „Kraftfahrwesen“ und „Straßenpolizei“; 0,5 %o-Regelung im FSG ist kompentenzgemäß; die vom UVS Burgenland angestellten Vergleiche, insbesondere mit Bestimmungen der StVO, sind nicht geeignet, dies zu widerlegen. Die vom UVS vorgebrachten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 14 Abs.8 erster Satz FSG treffen daher nicht zu. Der Antrag des UVS, diese Gesetzesbestimmung als verfassungswidrig aufzuheben, war somit abzuweisen.
B 1903/99 vom 4.10.2000*; Bedarfskompetenz nach Art.11 Abs.2 B-VG; § 4 Abs.3 erster Satz bzw. die Wortfolge „innerhalb der Probezeit“ sowie Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung im zweiten Satz FSG; die Beschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
B 2/01 vom 27.2.2001*; Lenkberechtigungsentzug und Art.6 EMRK; nach den Beschwerdebehauptungen wäre diese Rechtsverletzung vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 11.500, 11.937, 12.384 und 15.431), wonach davon auszugehen ist, dass auch der Lenkberechtigungsentzug als eine administrative Sicherungsmaßnahme im Interesse des Schutzes der übrigen Verkehrsteilnehmer im öffentlichen Recht wurzelt und sohin die aus der Lenkberechtigung erfließenden Rechte nicht zum Kernbereich der „civil rights“ zu zählen sind, nicht anzunehmen.
G 159/00 vom 12.6.2001 (VfSlg. 16.184); Art.7 Abs.1 B-VG – Gleichheitssatz; § 37 Abs.5 FSG und § 21 VStG (Ausschluss der außerordentlichen Strafmilderung durch § 37 Abs.5 FSG). Aus Anlass der beim VfGH zu B 1385/00* anhängigen Bescheidbeschwerde hat der VfGH am 28.11.2000 beschlossen, vom Amts wegen ein Verfahren gemäß Art.140 Abs.1 B-VG zur Prüfung der Verfassungsgemäßheit der Wortfolge „§ 21 und“ in § 37 Abs.5 FSG idF BGBl. I Nr. 2 /1998, einzuleiten. Im Erkenntnis vom 15.3.2000, G 211/98 und G 108/99, hat der VfGH die Wortfolge „§ 21 und“ in § 100 Abs.5 StVO als verfassungswidrig aufgehoben, weil dadurch eine unsachliche Verschärfung der Strafdrohung für Verwaltungsdelikte im Vergleich zu den gerichtlich zu ahndenden Delikten bewirkt wird, was im Widerspruch zum Gleichheitssatz steht. Der im Hinblick auf diese Judikatur notwendige Vergleich der Strafbemessungsvorschriften des Gerichts- und Verwaltungsstrafrecht zeigt, dass dem Kriminalstrafrecht ein Ausschluss der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB) unbekannt ist. Die genannte Wortfolge ist somit als verfassungswidrig aufzuheben, frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
B 746/99 u.a. vom 12.6.2001*; Art.140 Abs.7 B-VG – Anlassfall nach Art.144 Abs.1 B-VG der Aufhebung der Wortfolge „§ 21 und“ in § 37 Abs.5 FSG mit Erkenntnis des VfGH vom 12.6.2001, G 159/00 u.a.).
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B 1305/02 vom 10.6.2003*; Lenkberechtigungsentzug und Art.6 EMRK – Tribunal; Verweis auf die Rechtslage in der BRD (§§ 44 und 69 dStGB) und auf das Urteil des eidgenössischen Bundesgerichtes vom 11.1.1995, GZ 121 II 22 und auf ÖJZ 1999, 654ff. Vgl. auch Fall Malige gegen Frankreich, EGMR vom 23.9.1998 (ÖJZ 199, 654) und Escoubet gegen Belgien, Urteil des EGMR vom 28.10.1999. VfGH: das Beschwerdevorbringen lässt vor dem Hintergrund der VfGH-Rechtsprechung (G 203/02 u.a. vom 14.3.2003) die behaupteten Rechtsverletzungen als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. auch VfGH vom 10.6.2003, B 1341/02*, B 1342/02* und B 1654/02*).
G 373/02 u.a., V 63/03 u.a. vom 27.6.2003*; § 24 Abs.3 und § 26 FSG; § 11 Z.1 FSG-NV; Lenkberechtigungsentzug bereits bei „Inbetriebnahme“ eines Kfz; Zurückweisung des Verordnungsprüfungsantrages des UVS des Landes Oberösterreich betreffend die Nachschulungskosten nach § 11 Z.1 FSG-NV (Nachschulungsverordnung) mangels Präjudizialität, der UVS hat diese Bestimmung nicht anzuwenden.
B 1031/02 vom 11.10.2003; §§ 7 und 24 FSG; Art. 6 Abs.1 EMRK; Art.4 des ZP zur EMRK; der Entzug der Lenkberechtigung ist keine „Strafe“ iSd Art.6 EMRK;
G 200/03*, V 93/03 u.a.* vom 10.3.2004, VfSlg. 17.161; § 4 Abs.9 Z.5 und § 24 Abs.5 Z.7 FSG – Höhe der Nachschulungskosten nach § 11 Z.1 FSG-NV; zulässige Individualanträge nach Art. 139 Abs.1 und Art.140 Abs.1 B-VG; § 1 JN; Zulässigkeit der Individualanträge von einer Entziehung der Lenkberechtigung betroffener Lenker auf Aufhebung des § 11 Z.1 FSG-NV (betreffend Höhe der Nachschulungskosten), sowie von Teilen und Wortfolgen des § 4 Abs.9 Z.5 und des § 24 Abs.5 Z.7 FSG. Aufhebung des § 11 Z.1 FSG-NV als gesetzwidrig mangels Überprüfung der Höhe der Nachschulungskosten durch den Verordnungsgeber.
B 819/04* vom 4.10.2004; § 7 Abs.3 Z.10 FSG – § 84 StGB; Wirtshausrauferei und Führerscheinentzug;rechtskräftige Bestrafung wegen schwerer Körperverletzung nach § 84 Abs.1 StGB durch das LG Ried i.I. Der VfGH hat die Beschwerdebehandlung mit der Begründung abgelehnt, dass es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt und die Grenzen der Sachlichkeit nicht überschreitet, wenn bei Delikten nach § 84 StGB dem Täter wegen seiner Sinnesart die Verkehrszuverlässigkeit abgesprochen wird, wenn aufgrund einer Wertung nach § 7 Abs.4 FSG anzunehmen ist, dass er die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten gefährden wird). Der VwGH hat mittlerweile der Beschwerde gegen den Berufungsbescheid des UVS in Tirol im Erkenntnis vom 14.9.2004, 2004/11/0119, stattgegeben und diesen u.a. mit der Begründung aufgehoben, dass „unerfindlich“ ist, wie der UVS den Entzugsbescheid der BH Innsbruck bestätigen kann, obwohl der Rechtsmittelwerber die diesbezügliche Judikatur des VwGH bereits genau darstellt hat.
B 1369/11 vom 11.10.2012 (VfSlg. 19.691); Verletzung des Rechts auf Datenschutz nach § 1 Abs.1 DSG durch Übermittlung von Gesundheitsdaten zwischen Abteilungen der BPD Wien.
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G 16/12 vom 22.11.2012; Abweisung des Antrags des UVS Oö. auf Aufhebung der Wortfolge „Inbetriebnahme“ des § 26 Abs.1 und 2 und § 7 Abs.3 FSG betreffend Entzug der Lenkberechtigung bei bloßer Inbetriebnahme eines Kfz im alkoholisierten Zustand, ohne dieses gelenkt zu haben. Wie die Bundesregierung zutreffend ausführt, könnten ohne die Sanktionierung der Inbetriebnahme eines Fahrzeuges in vielen Fällen Schutzbehauptungen der Beschuldigten nicht widerlegt werden.
B 1103/12 vom 14.3.2013* (VfSlg. 19.743); keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Entziehung der Lenkberechtigung (für die Dauer von zwei Wochen) auf der Grundlage einer rechtskräftigen Strafverfügung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung nach § 99 Abs.2e StVO (135 statt der zulässigen 80 km/h). Der Entzug der Lenkberechtigung ist keine Strafe iSd Art.6 EMRK sondern eine administrative Maßnahme. An dieser Beurteilung ändern auch die vom Beschwerdeführer zitierten Urteile des EGMR in den Fällen Wagner und Toma nichts. Der Bescheid des UVS ist auch ausreichend und denkmöglich begründet – keine Verletzung des Gleichheitsrechts.
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V 22/2019 vom 11.6.2019*; § 48 Abs.5 StVO – Aufstellung von Verkehrszeichen; Aufhebung der Verordnung der BH VB betreffend 80 km/h-Beschränkung auf der B154 in Oberhofen am Irrsee unmittelbar ab der Landesgrenze Salzburg/Oberösterreich als gesetzwidrig. Keine ordnungsgemäße Kundmachung durch Aufstellung des Endes der Beschränkung entgegen § 48 Abs.5 StVO bedeutend weiter als 2,5m neben der Fahrbahn; Distanz ist nicht vom Rand des Geh- und Radwegs zu messen, welcher nicht zur Fahrbahn gehört (Anlassfall Jürgen W., Straßwalchen E 2685/2018 vom 11.6.2019).
E 419/2019 Beschluss vom 25.2.2019; Ablehnung der Behandlung der Beschwerde nach Art.144 Abs.2 B-VG gegen das Erkenntnis des LVwG Salzburg vom 19.12.2018 betreffend Bestrafung des Christoph K. nach dem Bundesstraßen-Mautgesetz (BStMG). Entscheidung der BH SL – Bearbeitungsstelle bei der BH TA. Fragen der örtlichen Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der Frage, ob die Bestrafung in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, nicht anzustellen. Betreffend die relevierte Nichtteilnahme der belangten Behörde an der mündlichen Verhandlung vor dem LVwG verweist der VfGH auf sein Erkenntnis vom 14.3.2017, E 3282/2016 (VfSlg. 20149), in welchem auf das Urteil des EGMR vom 20.9.2016, BeschwerdeNr. 908/06 sowie auf § 25 Abs.1 und 2 VStG, den Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit durch das Verwaltungsgericht eingegangen wurde. Auf die übrigen relevierten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte (gesetzlicher Richter, faires Verfahren – Waffengleichheit, Zugang zu einem Gericht und objektive Unbefangenheit, effektives Rechtsmittel und Rechtmittel in Strafsachen nach Art.2 Abs.1 des 7. ZP zur EMRK) geht der VfGH nicht ein.
G 44/2018 vom 26.6.2018; § 52 Abs.2 VwGVG – Höhe der Kosten des Beschwerdeverfahrens vor den Verwaltungsgerichten; faires Verfahren (Art.6 EMRK und Art.47 GRC); Gleichheitsrecht nach Art.7 B-VG; Eigentumsrecht nach Art.5 StGG und Art.1 des 1. ZP zur EMRK und Angemessenheit von Strafen nach Art.3 EMRK und Art.49 GRC; keine Bedenken gegen eine Bestimmung des VwGVG betreffend die Festsetzung der Kosten des Berufungsverfahrens mit 20% der Geldstrafe als Pauschalbetrag auch im Falle der Verhängung von kumulierten Geldstrafen; keine Bedenken gegen differenzierende Kostenersatzregelungen in verschiedenen Verfahrensbereichen wie dem Straf- und Verwaltungsstrafverfahren. Die Behörden hat über jeden der vier Vorstandsmitglieder der AG 200 Geldstrafen à 12.000 Euro wegen Übertretungen des AuslBG und 217 Geldstrafen à 12000 Euro wegen Übertretungen des AVRAG verhängt, die Ersatzfreiheitsstrafen betragen 1600 bzw. 1736 Tage, das sind jeweils rund 5 Jahre. Der Gesetzesprüfungsantrag des LVwG Steiermark wird als unbegründet abgewiesen. Differenzierte Kostenersatzregelungen in verschiedenen Verfahrensbereichen widersprechen nicht dem Gleichheitssatz, auch wenn diese eine bestimmte Verwandtschaft aufweisen.
E 2735/2017 vom 11.6.2018; Verletzung im Recht auf angemessene Verfahrensdauer nach Art.6 EMRK; Aufhebung des Straf- und Kostenausspruchs des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien. Diese Rechtsverletzung lässt den Ausspruch über die Schuld unberührt, die überlange Verfahrensdauer ist nur ein Strafmilderungsgrund iSd § 19 Abs.2 VStG. Auch wenn das VwG die eineinhalbjährige Verfahrensdauer im mündlich verkündeten Erkenntnis berücksichtigt hat, ändert dies nichts daran, dass bis zur schriftlichen Ausfertigung weitere drei >Jahre vergangen sind.
E 507/2017 vom 14.3.2018; keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbots nach Art.4 des 7. ZP zur EMRK. Geländeveränderungen und Abholzungen ohne naturschutzbehördliche Bewilligung vorgenommen und dafür nach Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens bestraft. Die Straftatbestände des § 182 Abs.2 StGB und des § 9 lit.c tiroler NaturschutzG unterscheiden sich in wesentlichen Elementen.
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E 2736/2017 vom 24.11.2017; Feststellung der Verletzung im Recht auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist nach Art.6 Abs.1 EMRK – Aufhebung des Straf- und Kostenausspruchs. Gesamte Dauer des Verwaltungsstrafverfahrens: 4 Jahre und 4 Monate; allein zwischen mündlicher Verkündung und Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses sind 2 Jahre und 11 Monate vergangen, auch diese Zeitspanne ist zu berücksichtigen. Beginn des Verfahrens: Zustellung der behördlichen Aufforderung zur Rechtfertigung; Ende des Verfahrens: Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien. Diese Feststellung lässt den Schuldspruch unberührt, eine Änderung kommt nur im Rahmen der Strafbemessung in Betracht.
E 1506/2017 vom 24.11.2017; Verletzung im Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art.83 Abs.2 B-VG durch Einstellung des Beschwerdeverfahrens mit Beschluss infolge angenommenem Wegfalls der Beschwer. Das VwGVG regle zwar die Gründe für eine Verfahrenseinstellung nicht, es sei aber § 33 Abs.1 VwGG (Wegfall des rechtlichen Interesses an einer Sachentscheidung) betreffend Beschwer analog anzuwenden. Das LVwG Tirol hätte Rechtsschutz gewähren müssen, weil die Abschussaufträge weiterhin Rechtswirkungen entfalten (Grundlage für ein verwaltungsstrafrechtliches Folgeverfahren).
E 2032/2017 Ablehnungsbeschluss vom 27.11.2017; spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen zur Frage, ob das LVwG Oö. eine mündliche Verhandlung hätte durchführen müssen, sind nicht anzustellen. Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Verwaltungsstrafgesetzgebers, die Einstellung des Strafverfahrens bzw. das Absehen von der Strafe unter Ausspruch einer Ermahnung gemäß § 45 Abs.1 Z.4 VStG (auch) an das Kriterium der „Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts“ zu knüpfen.
E 2454/2017 Ablehnungsbeschluss vom 21.9.2017; § 45 Abs.1 Z.4 und Abs.1 letzter Satz VStG: der Gesetzgeber hat seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten, wenn er die Einstellung des Strafverfahrens bzw. das Absehen von der Bestrafung unter Ausspruch einer Ermahnung auch an das Kriterium der „Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts“ knüpft (vgl. auch die Ablehnungsbeschlüsse E 1829/2017, E 1827/2017, E 1543/2017, E 1345/2017, E 1298/2017, E 1289/2017, E 1250/2017, E 1221/2017, E 949/2017, E 899/2017, E 287/2017).
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E 949/2017 Ablehnungsbeschluss vom 21.9.2017; die Mindestgeldstrafe von 150 EURO in § 99 Abs.2e StVO begegnet vor dem Hintergrund des nicht unverhältnismäßigen Ausmaßes und der Möglichkeit der außerordentlichen Strafmilderung nach § 20 VStG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Daran ändert auch die im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegende Entscheidung nichts, die Einstellung des Strafverfahrens bzw. das Absehen von der Bestrafung unter Ausspruch einer Ermahnung auch an das Kriterium der „Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts“ zu knüpfen.
E 604/2017 Ablehnungsbeschluss vom 21.9.2017; die Mindestgeldstrafe von 70 EURO in § 99 Abs.2d StVO begegnet vor dem Hintergrund des nicht unverhältnismäßigen Ausmaßes und der Möglichkeit der außerordentlichen Strafmilderung nach § 20 VStG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Daran ändert auch die im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegende Entscheidung nichts, die Einstellung des Strafverfahrens bzw. das Absehen von der Bestrafung unter Ausspruch einer Ermahnung auch an das Kriterium der „Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts“ zu knüpfen.
E 948/2017 Ablehnungsbeschluss vom 21.9.2017; die Mindestgeldstrafen in § 134 Abs.1b KFG begegnet vor dem Hintergrund des nicht unverhältnismäßigen Ausmaßes und der Möglichkeit der außerordentlichen Strafmilderung nach § 20 VStG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Daran ändert auch die im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegende Entscheidung nichts, die Einstellung des Strafverfahrens bzw. das Absehen von der Bestrafung unter Ausspruch einer Ermahnung auch an das Kriterium der „Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts“ zu knüpfen.
E 949/2017 und E 2454/2017 Ablehnungsbeschlüsse vom 21.9.2017; § 44 VwGVG – mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht; spezifisch verfassungsrechtliche Überlegung sind zur Frage, ob das Landesverwaltungsgericht zu Recht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen hat, nicht anzustellen.
E 948/2017 Ablehnungsbeschluss vom 21.9.2017; Art.83 Abs.2 B-VG; Recht auf den gesetzlichen Richter; Zuständigkeit des Verwaltungsgericht zur Tatauswechslung ? spezifisch verfassungsrechtliche Überlegung sind zur Frage, ob die Änderung im Spruchpunkt 5. der angefochtenen Entscheidung eine unzulässige Tatauswechslung darstellt, nicht anzustellen.
V 99/2015 vom 28.6.2017; §§ 16 und 37 RAO; §§ 5, 51 und 59 RL-BA; § 1 Abs.1 DSt; Art.6 Abs.1 StGG; Abweisung des Antrags des OGH auf Aufhebung des § 51 RL-BA als gesetzwidrig. Verbot der Vereinbarung eines Maklerlohns (Provision). Kein unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit iSd Art.6 StGG.
V 4/2017 vom 28.6.2017; Änderung der Rechtsprechung zur Anwendung gesetzwidriger Verordnungen infolge Schaffung der Verwaltungsgerichte.
E 883/2017 vom 27.6.2017; § 16 VStG; Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe; 4x 4000 Euro und 4x 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe durch die LPD Steiermark – bestätigt durch das LVwG Steiermark. Das LVwG ist kein letztinstanzliches Gericht iSd Art.267 Abs.3 AEUV, weswegen es auch keine Verpflichtung hatte, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu stellen (VfSlg. 19.896). Der Grundsatz der Amtswegigkeit begegnet selbst bei Abwesenheit der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung vor dem LVwG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Begründet ist die Beschwerde aber betreffend den Ausspruch über die Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe. Nach § 16 Abs.2 VStG darf das Höchstmaß von je zwei Wochen nicht überschritten werden – daher Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit nach Art.1 BVG iVm Art.5 StGG (samt Vorjudikatur; vgl. auch E 1381/2017 und E 1383/2017 vom 27.6.2017).
G 219/2016 Beschluss vom 15.3.2017; Parteiantrag nach Art.140 Abs.1 Z.1 lit.d B-VG; Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung des § 7 Abs.2 RATG betreffend den Ausschluss eines Rechtsmittels gegen die gerichtliche Festsetzung des Streitwerts. Keine Überschreitung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums im Hinblick auf das verfolgte Ziel der raschen Klärung der Bewertung des Streitgegenstands. Einrichtung eines Instanzenzugs nicht erforderlich.
E 3282/2016 vom 14.3.2017; Art.7, 8 und 15 – 17 GRC; §§ 50 – 52 GlücksspielG; Art.6 EMRK; §§ 18, 27 und VwGVG; § 25 VStG; Abweisung einer Beschwerde gegen die Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Verstoßes gegen das Glücksspielgesetz. Keine Unionsrechtswidrigkeit bzw. Inländerdiskriminierung. Keine Verletzung der Unparteilichkeit des Verwaltungsgerichts. Grundsatz der amtswegigen Erforschung von Verwaltungsübertretungen. . Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR kann der VfGH nicht finden, dass das im österreichischen Verwaltungsstrafverfahren für die Behörden und Verwaltungsgerichte geltende Amtswegigkeitsprinzip selbst bei Abwesenheit der Behörde in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gegen Art.6 EMRK verstößt (EGMR vom 4.7.2002 im Fall Weh – Österreich, BeschwNr. 38.544/97). Im Verwaltungsstrafverfahren hat das Verwaltungsgericht stets in der Sache selbst zu entscheiden, weswegen ihm die Befugnis und Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalt zukommt. Dabei hat das Verwaltungsgericht entsprechend dem in §25 Abs2 VStG normierten Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit den wahren Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise zu erforschen und dabei den Beschuldigten sowohl entlastende als auch belastende Umstände zu berücksichtigen. Der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens und somit auch der Prüfungsumfang (vgl. § 27 VwGVG) im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten ist durch das Straferkenntnis der Verwaltungsbehörde begrenzt, womit es den Verwaltungsgerichten verwehrt ist, über den Gegenstand des Straferkenntnisses hinauszugehen. Im Unterschied zum Fall Karelin gegen Russland (EGMR 20.09.2016, BeschwNr. 926/08) sieht § 18 VwGVG zudem vor, dass die belangte Behörde Partei des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist, die der beschuldigten Partei in einem kontradiktorischen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gegenübersteht und der unabhängig von ihrer Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht dementsprechende Parteienrechte (z.B. Revision zu erheben) zukommen. Am kontradiktorischen Charakter des Verfahrens ändert auch die allfällige Abwesenheit einer Partei oder sämtlicher Parteien nichts, zumal dem erkennenden Verwaltungsgericht sowohl die Position der belangten Behörde in Form des – die Funktion der Anklageschrift repräsentierenden – (erstinstanzlichen) Straferkenntnisses als auch jene der beschuldigten Partei in Gestalt der Beschwerde oder Beschwerdebeantwortung im Fall einer Amtsbeschwerde vorliegen. Der in Verwaltungsstrafsachen, wie den hier in Rede stehenden, gemäß § 38 VwGVG iVm § 25 Abs.1 VStG maßgebliche Grundsatz der amtswegigen Verfolgung von Verwaltungsübertretungen verletzt daher nicht die durch Art.6 EMRK garantierte Unparteilichkeit der Verwaltungsgerichte. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat auch im Beschwerdefall keine Verfahrensschritte der Anklagebehörde gesetzt, welche Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen ließen (vgl. dazu auch die Ablehnungsbeschlüsse vom 21.9.2017 E 2454/2017, E 1298/2017, E 1289/2017, E 948/2017).
G 405/2016 vom 14.3.2017; §§ 393 und 393a StPO; Kostenersatz bei Freispruch und Verfahrenseinstellung; aus Art.6 Abs.2 und Abs.3 lit.c EMRK kein Anspruch ableitbar. Keine Gleichheitswidrigkeit – Eigentumsrecht nicht verletzt, Abweisung der Parteianträge.
E 2176/2015 vom 1.12.2016; § 9 VStG; Gleichheitswidrigkeit der Bestrafung eines gesetzlichen Vertreters einer Gesellschaft trotz Vorliegens einer wirksamen Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten. Unvertretbarkeit der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts. Der Gleichheitssatz bindet auch den Verordnungsgeber, weswegen sachlich nicht begründbare Regelungen nicht getroffen werden dürfen. Es wurden 14 anstatt der genehmigten 4 Wohnungen in diesem Objekt im Dorfgebiet errichtet und dann deren Benutzung untersagt. Rechtsprechung zur Sanierung konsenslos errichteter Bauten. Für die Sachlichkeit der Änderung des Flächenwidmungsplans sprechende Gründe iSd § 36 Oö. ROG lassen sich derzeit den Akten nicht entnehmen.
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― RA Dr. Postlmayr